Körperstrafen in der Kindererziehung
Historische Federzeichnung einer schulischen Körperstrafe
Als Strafmethode in der Kindererziehung waren Körperstrafen in (nicht immer) abgemilderter Form auch im Westen das wohl häufigste Erziehungsmittel bis in die 1970er Jahre. Diese Körperstrafen wurden in der Regel mit der flachen Hand, einem Lederriemen, Teppichklopfer oder dünnen Rohrstock auf dem Gesäß des Kindes oder Jugendlichen vollzogen. Im Schulmilieu wurden Strafen außer auf den Hosenboden oft auch auf die ausgestreckte Hand des Kindes gegeben (sogenannte „Tatzen“); in der Schule kamen dabei früher die Rute, später der Rohrstock und vor allem von Lehrerinnen auch das Lineal zum Einsatz. Andere häufig gebrauchte Körperstrafen waren die Ohrfeige, die Kopfnuss, das Ziehen an den Haaren oder Ohren oder das Knienlassen des Kindes auf einem dreikantigen Holzscheit.
Im Englischen wird die Züchtigung auf dem Gesäß „Spanking“, im Französischen „Fessée“ genannt. (Im Deutschen gibt es hierfür keinen hochsprachlichen Begriff. Verbreitet ist der Ausdruck „den Hintern versohlen“ sowie eine Vielzahl von regionalsprachlichen Dialekt-Wendungen, z. B. „schinkenkloppen“, „nen Arschvoll kriegen“ im Berlinischen, im Süddeutschen „Hosenspanner“, „ne Jachtreise machen“ in Norddeutschland, „wat auf die Bollen“, „dann hat der Hintern Kirmes“ im Ruhrgebiet.) Im Gegensatz zu Nord-, Mittel- und Südamerika, Afrika, Asien und Ozeanien, spielen Körperstrafen in der Kindererziehung in Mitteleuropa und insbesondere im deutschsprachigen Raum heute keine quantitativ bedeutende Rolle mehr. In Deutschland sind alle Körperstrafen in der Kindererziehung seit dem Jahr 2000 aufgrund des Gesetzes zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung verboten. Ein Rechtfertigungsgrund ist damit nicht mehr gegeben.
Das Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung vom 2. November 2000, am 6. Juli 2000 vom deutschen Bundestag verabschiedet, beinhaltet eine Neufassung des § 1631 BGB. Darin wird das Recht auf gewaltfreie Erziehung verankert. 1631 BGB Abschnitt (2) wird darin wie folgt gefasst:
„(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
Zugleich wurde am 2. November 2000 an § 16 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch folgende Ergänzung angefügt:
„Sie [Kinder- und Jugendhilfe] sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können.“
Das Gesetz steht in engem Zusammenhang mit den Zielsetzungen der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen vom Jahr 1989 und des Nationalen Aktionsplans für ein kindergerechtes Deutschland. Die „Kampagne Mehr Respekt vor Kindern“ diente dazu, diese Gesetzesänderung bekannt zu machen.[1]
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hob 2005 hervor, das Gesetz habe innerhalb der fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten zu einer Bewusstseinsveränderung in der Bevölkerung geführt. Eine vom Bundesjustizministermium in Auftrag gegebene Studie habe aufgezeigt, das sich die Erziehungseinstellung der Eltern immer mehr mit dem Leitbild der gewaltfreien Erziehung decke. Außenstehende hätten nun eine größere Bereitschaft, sich gegebenen Falles einzumischen, und Eltern hätten eine größere Bereitschaft, Hilfsangebote entgegenzunehmen.[2][3]
Die Veröffentlichung des verabschiedeten Gesetzes im Bundesgesetzblatt zeigt zudem Änderungen der Kindesunterhaltsregelungen.
Gesetzeslage zur Körperstrafe in Europa (grün: an Schulen und zuhause verboten, blau: nur an Schulen verboten, rot: kein Verbot – Stand Juli 2007)
Heute verwenden in den westlichen Ländern viele den Begriff Schwarze Pädagogik, wenn sie negativ von den Erziehungsmethoden früherer Elterngenerationen sprechen. Aber auch heute noch sind in den meisten Ländern der Welt Körperstrafen (z. B. Ohrfeigen) als Erziehungsmittel (soweit sie maßvoll und angemessen sind, also keine Misshandlung darstellen) legal und können dort vor allem von den Eltern, jedoch auch – im Rahmen festgeschriebener Gesetze – von Lehrern oder anderen Erziehungsverantwortlichen erteilt werden.
In den meisten Staaten Europas hat sich seit etwa dem Ende des Zweiten Weltkriegs, vor allem in den 1960er und 1970er Jahren und gestützt durch neue psychologische Erkenntnisse, die neue öffentliche Meinung durchgesetzt, dass Körperstrafen schädlich für die Entwicklung des Kindes sind und nicht mehr angewendet werden sollen. In der DDR wurden Körperstrafen an den Schulen 1949 abgeschafft, 1973 auch in der Bundesrepublik Deutschland. Jedoch erklärte noch 1979 das Bayerische Oberste Landesgericht, dass „im Gebiet des Freistaates Bayern … ein gewohnheitsrechtliches Züchtigungsrecht“ besteht. 1980 wurde die Prügelstrafe in Schulen auch in Bayern abgeschafft.
Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen in Deutschland wird in offiziellen religiösen Unterweisungen für deutsche Moslems die Prügelstrafe gegen Kinder und Jugendliche teilweise sogar noch gefordert. In einer von einem muslimischen Buchversand (em-buch.de; erreichbar über die Homepage des „Zentralrates der Muslime in Deutschland“) als „Lehr- und Referenzbuch“ empfohlenen und mehr als 200 Seiten umfassenden Schrift „As-Salah – Das Gebet im Islam“ heißt es ausdrücklich: „Kinder sollen vom siebten Lebensjahr an von den Eltern durch Ermahnungen zum Gebet angehalten werden, vom zehnten Lebensjahr an auch notfalls, wenn es gar nicht anders geht, durch Schläge“.[3]
Mit Verweis auf religiöse Begründungen wird auch in Teilen der evangelikalen bzw. christlich-fundamentalistischen Gruppierungen die körperliche Bestrafung von Kindern propagiert. So fordert beispielsweise der Autor Tedd Tripp in seinem Buch Eltern – Hirten der Herzen. Biblisch orientierte Erziehung christliche Eltern dazu auf, die „Rute“ als Erziehungsmittel zu nutzen.[4] Auch die Zeugen Jehovas erklärten Ende der 1970er Jahre mit Verweis auf obige Bibelstellen die körperliche Züchtigung von Kindern als gebotenes Erziehungsmittel, allerdings mit deutlichen Einschränkungen.[5][6] Diese Erklärungen sind jedoch zeitgemäß angepasst worden.[7]
Neben Deutschland verbieten die gesetzlichen Regelungen elterliche Körperstrafen in mehreren Ländern, beispielsweise in Schweden, der Schweiz, Island, Finnland, Dänemark, Norwegen, Österreich, Italien, Zypern, Kroatien, Israel und Litauen. Entsprechende Gesetzesinitiativen in den USA sind im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte immer wieder gescheitert. Seit Anfang der 1990er Jahre gründeten sich dort Elterninitiativen, die einem entsprechenden Verbot entgegentraten.
In Schweden wurden schon 1979 Körperstrafen als Erziehungsmittel grundsätzlich illegalisiert, ebenso seither in mehreren anderen (v. a. europäischen) Staaten, die dem Beispiel Schwedens folgten. Mit Änderung des § 1631 Abs. 2 BGB durch den Bundestag am 6. Juli 2000 haben auch in Deutschland Kinder ein Anrecht auf gewaltfreie Erziehung, das heißt, auch Demütigungen sind verboten. Damit wurde das bis dahin bestehende elterliche Züchtigungsrecht aufgehoben. Körperliche oder seelische Misshandlungen von Kindern in der Erziehung hingegen sind in Deutschland bereits seit 1998 verboten.
In den USA sind noch immer Körperstrafen an den Schulen in ungefähr der Hälfte aller US-amerikanischen Bundesstaaten erlaubt, werden aber hauptsächlich in den ehemaligen Südstaaten praktiziert. Die Strafen werden in der Regel mit einem speziellen Holzpaddel (Paddle) oder auch mit einem Lederriemen auf das bekleidete oder, jedoch nur in seltenen Fällen, entblößte Gesäß des Schülers erteilt („paddling“/„lashing“). In den folgenden 23 amerikanischen Bundesstaaten ist Paddling an staatlichen Schulen per Gesetz zugelassen: Alabama, Arizona, Arkansas, Colorado, Delaware, Florida, Georgia, Idaho, Indiana, Kansas, Kentucky, Louisiana, Missouri, Mississippi, New Mexico, North Carolina, Ohio, Oklahoma, Pennsylvania, South Carolina, Tennessee, Texas und Wyoming. Nach einer Schätzung des amerikanischen Bundeserziehungsministeriums gab es im Schuljahr 1996/97 an allen staatlichen US-Schulen insgesamt rund 458.000 Paddlings, das entspricht etwa 1 % der Schüler. Die prozentual meisten Paddlings gibt es in Arkansas und Mississippi (über 10 % der Schüler erhalten dort mindestens ein Paddling im Schuljahr). In den betroffenen Bundesstaaten obliegt es dem jeweiligen Schulbezirk, die Zulässigkeit, Anlässe, Umfang und Durchführungsregelungen für körperliche Bestrafungen festzulegen. In der Vergangenheit haben wiederholt Schulangestellte ihre Stellung verloren, da sie gegen die entsprechenden Vorschriften verstießen. Besonders bei kleineren Kindern ist es in den USA verbreitet, als Bestrafung den Mund mit Seife auszuspülen. Dies ist zwar keine körperliche Züchtigung, aber dennoch eine unangenehme erzieherische Maßnahme.
Kanada verschärfte seine Gesetze im Frühjahr 2004. Seitdem ist es dort nur noch legal, Kinder und Jugendliche zwischen zwei und einschließlich 12 Jahren entsprechend bestimmter Vorgaben körperlich zu züchtigen. Entgegen der sonst in den westlichen Staaten verbreiteten Tendenz, körperliche Bestrafungen von Kindern generell zu verbieten, hat allerdings der Kanadische Oberste Gerichtshof in Ottawa am 30. Januar 2004 eine differenzierendere Haltung eingenommen und entschieden, dass Eltern körperliche Bestrafungen ihrer Kinder nicht durch Gesetz verboten werden können, solange die Bestrafungen „vernünftig“ („reasonable“) sind, d. h. nicht im Zorn erfolgen. „Vernünftig“ sind dabei laut Gericht außerdem nur Körperstrafen aus wichtigem Anlass, sie dürfen nach dem Urteil nur ohne Werkzeug (also nur mit der Hand) und nur an Kindern vorgenommen werden, die mindestens zwei und noch nicht dreizehn Jahre alt sind. Schließlich sind körperliche Erziehungsmaßnahmen gegen den Kopf (Ohrfeigen, Kopfnüsse, Ziehen an Haaren oder Ohren usw.) immer und ausnahmslos verboten.
Einer Meldung des Berliner Tagesspiegels vom 13. April 2006 zufolge hat nun in einem ähnlichen Fall auch der Oberste Gerichtshof Portugals in dem Sinne entschieden, dass die maßvolle körperliche Bestrafung eines Kindes Teil des elterlichen Erziehungsrechts sei, die nicht durch Gesetz ausgeschlossen werden könne. Der Tagesspiegel-Meldung zufolge soll der Fall deshalb dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu letztgültiger Entscheidung vorgelegt werden.
In
Großbritannien wurde zunächst am 22. Juli 1986 das Schlagen von Schülern in staatlichen Schulen und 1998 für alle Schultypen verboten. Ein Anhang zum britischen Kinderschutzgesetz, welches Eltern das Schlagen ihrer Kinder generell verbieten sollte, wurde im Jahr 2004 im
House of Commons mit 424 zu 75 Stimmen abgelehnt. Ein weiterer Antrag, der das Schlagen von Kindern unter Hinterlassung sichtbarer Spuren verbietet, wurde hingegen mit 284 zu 208 Stimmen angenommen und trat im Januar 2005 in Kraft.
[8] Im Januar 2006 forderten die vier Kinderbeauftragten Großbritanniens ein totales Verbot von Gewalt in der Kindererziehung; diese Forderung wurde jedoch von der Regierung
Tony Blairs abgelehnt. Tony Blair hatte in der Vergangenheit bekannt gegeben, dass er seine Kinder gelegentlich schlägt.